Die Zeiten, als Autos noch fürs Waldsterben verantwortlich gemacht werden konnten, sind vorbei. Längst ist die Luft, die aus den Auspuffen strömt so frisch und gesund, dass mancher sie am liebsten zur Lufterfrischung benutzen würde, aber leider ist dann wieder das Badezimmer zu klein und dann gibts doch wieder nur Kloreiniger und Pinkelsteine. Jedenfalls, heutzutage ist vielleicht noch ein bisschen das Klima ein Thema, CO2, solche Sachen, aber da gibts auch die einen die sagen so, die anderen so.
Andere Fragen zum Thema Auto und Umwelt bleiben dabei komplett unausgesprochen: Wie lange dauert es eigentlich, bis so ein Auto kompett verrottet ist, wenn man es normalen Umwelteinflüssen aussetzt? Bei Joghurtbechern gibt es dazu Schätzungen. Aber Autos? Wenn wir alle schlagartig tot umfallen, fluchtartig die Städte verlassen oder die Autoschlüssel plötzlich nicht mehr passen: Was wird aus den ganzen Gefährten, die jetzt noch glänzend unsere Straßen schmücken? Wann sind sie so weit verwest, dass dort wieder Bäume wachsen?
Um das rauszufinden, haben wir uns ein Auto besorgt (Audi, dunkelblau) und ihn mal vors Haus gestellt. Pralle Sonne, prasselnder Regen – ideale Bedingungen also. Schon fast zu ideal. Denn um herauszufinden, wie lange der Verfall in anderen Städte mit milderem Frühling und lauerem Herbst dauert, müssen wir sicher noch ein paar Jahre aufschlagen.
Vom Balkon aus ist das Experiment gut zu verfolgen, und jetzt wo wir umziehen, ist es vielleicht auch mal an der Zeit eine kleine Zwischenbilanz zu ziehen. Schließlich können wir das Auto ja nicht mitnehmen, da das einen zu starken Einfluss auf die Versuchsumgebung hätte.
Nach einem knappen ¾ Jahr ist das Auto als solches noch gut zu erkennen, es glänzt sogar noch, aber die ersten Spuren von Renaturierung sind natürlich unübersehbar.
Tierbefall
Rein äußerlich ist die Anwesenheit von Spinnen festzustellen. Auch eine auf den ersten Blick völlig glatte, fast wie abgeleckt wirkende Oberfläche wie die des Audis bitete für diese Nischen liebenden Tiere einige Anhaltspunkte zur Befestigung ihrer Netze. So hat der Auspuff seinen toxischen Anschein nun endgültig verloren. Auch zwischen Rad und Radkasten befinden sich ideale Brutstätten, ebenso rings ums am Kühler befestigten Firmenlogo (OOOO).
Zwischenergebnis: Die Spinnen alleine werden es nicht bringen. Zum einen sind sie bisher nicht in der Lage, ins Fahrzeuginnere einzudringen (durch den Auspuff kommt man glaub ich nicht weit), zum anderen verlangsamen handelsübliche Spinnen den Verwesungsprozess eher, da sie die Entwickung wirklich hilfreicher Tiere (Käfer, Maden …) eher verhindern.
Pilzbefall
Da wir die Scheiben vorsorglich hochgekurbelt haben, hält sich die Luftfeuchtigkeit im Fahrzeuginneren prächtig und führt zu ebensolchen Lebensbedingungen für Pilze, Moose und Flechten. Diese befinden sich noch in einem Anfangsstadium, haben aber schon jetzt deutliche Fortschritte gezeigt. Die Sitze zeigen schon deutliche Schimmelflecken und auch auf dem Lenkrad sind erste Anzeichen des moosbestandenen Waldes anzumerken, der sich hier demnächst wieder ausbreiten wird.
Zwischenergebnis: Beim Abstellen des Fahrzeugs unbedingt auf geschlossene Fenster achten und auch die Lüftung ausstellen. Die Wirkung von Kondenswasser sollte nicht unterschätzt werden.
Sonstige Umwelteinflüsse
Ab und zu kommt jemand vom Ordungsamt (sog. »Ranger«) vorbei und klebt gelbe Aufkleber auf die Frontscheibe, auf denen steht, dass sie uns die Kiste demnächst abschleppen werden. Die werden zwar auch regelmäßig, von wem auch immer, wieder entfernt, dafür tauchen aber andere Aufkleber auf, angebracht von Firmen, die versprechen, für ungewollte Autos viel Geld bezahlen zu wollen. Aber die haben es einfach nicht begriffen.
Sturm, Wind, Regen, Erdbeben und Tsunamis waren bisher nicht so schlimm, dass sie zu messbaren Veränderungen geführt hätten, Reaktorkatastrophen und das Bersten von Staudämmen ist nicht zu erwarten. Zum einen gelten Reaktoren wie Staustufen ja allgemein als sehr sicher, zum anderen gibt es hier sowas gar nicht.
Zwischenergebnis: Da hier das Anzünden von Fahrzeugen offensichtlich nicht zum allgemeinen Brauchtum gehört, können wir davon ausgehen, dass der menschliche Einfluss auf den Verfall unterhalb der Nachweisbarkeitsgrenze bleiben wird. Klimatische Einwirkungen können langfristig aber durchaus Folgen haben.
Unterm Strich
Es bleibt spannend! Wir kümmern uns jetzt erstmal um den Umzug. Denn bis aus dem Audi mal Torf wird, das kann noch dauern. Aber wir bleiben dran!