Wenn ich am Strand stehe, aufs Meer hinaus schaue und Richtung Heimat zeigen will, müsste ich mich eigentlich nach Süden drehen und kurz vor meine Füße deuten. Dass die Erde eine Kugel ist, ist nach wie vor schwer vorstellbar. Witze, die zum Inhalt haben, dass die Leute hier deshalb auf den Händen laufen, weil sie aus europäischer Sicht auf dem Kopf stehen, sind zu naheliegend, als dass sie hier zitiert werden sollten.
Bemerkenswert hierbei ist, dass hier tatsächlich vieles exakt andersrum ist, wenn man den Vergleich mit Deutschland zieht. Aber beim Laufen sind die Australier normalen Menschen doch sehr ähnlich.
Die Lage Australiens auf der Südhalbkugel führt zunächstmal zu einigen astronomischen Besonderheiten. Die Sonne steht mittags beispielsweise im Norden. Sie geht, wie bei uns im Osten auf, geht im Westen unter, nimmt dabei aber den Weg über den Norden. Betrachtet man den Sonnenlauf, wandert die Sonne von rechts nach links.
Das nächtliche Sternbild ist ebenfalls ein komplett anderes. Der Polarstern, der Große und der Kleine Wagen, Cassiopeia – nichts davon ist zu sehen. Und während mir im Astronomieunterricht klar war, dass man viel zu weit weg muss, um sich die Sternbilder der südlichen Hemisphäre anzuschauen, als dass mir das je gelingen würde, lässt mich das Kreuz des Südens heute ziemlich kalt.
Der Mond hat auch seine Tücken. So sieht hier der abnehmende Mond aus wie der zunehmende Mond in Deutschland – und umgekehrt. Nur Neu- und Vollmond sind gleich.
![Treppenhäuser führen im Uhrzeigersinn nach oben, wie diese Stichprobe, die ich in unserem plüschigen Treppenhaus aufgenommen habe, eindeutig beweist.](http://switchtrue.de/wp-content/uploads/2011/06/IMG_0301-225x300.jpg)
Treppenhäuser führen im Uhrzeigersinn nach oben, wie diese Stichprobe, die ich in unserem plüschigen Treppenhaus aufgenommen habe, eindeutig beweist.
Theoretisch ist die Drehrichtung der Strudel, die sich im Waschbecken bilden, wenn man den Stöpsel zieht, wegen der Corioliskräfte von der Drehrichtung der Erde abhängig. Entsprechend folgt der Strudel im Waschbecken hier eher im Gegenuhrzeigersinn, während er auf der Nordhalbkugel den Uhrzeigersinn bevorzugt.
Das selbe Phänomen, nämlich das des umgekehrten Drehsinns, findet sich in Sydeneys Treppenhäusern. Während man in Deutschland in der Regel im Gegenuhrzeigersinn durchs Treppenhaus nach oben geht, gehts hier im Uhrzeigersinn nach oben.
![Wer um die Weihnachtszeit Grün in der Wohnung haben will, wählt Nadelbäume. So auch in Australien. Da wachsen aber nur Kiefern. Und die machen im Hochsommer schnell schlapp.](http://switchtrue.de/wp-content/uploads/2011/06/IMG_0210-300x225.jpg)
Wer um die Weihnachtszeit Grün in der Wohnung haben will, wählt Nadelbäume. So auch in Australien. Da wachsen aber nur Kiefern. Und die machen im Hochsommer schnell schlapp.
Auch die Monate stellen sich anders dar als in Europa. Wenn zuhause Juni ist, haben auch wir Juni, aber der Juni ist hier ein Wintermonat. Das lässt sich einfach umrechnen, aber diese Besonderheit hat noch eine andere Konsequenz. Feiertage haben immer auch einen jahreszeitlichen Bezug, viele mit kirchlichen Feiertagen verknüpfte Bräuche, haben heidnische Quellen und eben primär einen Bezug zur Jahreszeit. Ostern, das Fest mit den Eiern und den frischen Zweigen ist eng verknüpft mit dem Frühjahr. Zu Weihnachten spielen Kerzen eine Rolle, von denen man hoffte, sie brächten die Menschheit durch die kalte Jahreszeit. Schnee ist sehr direkt damit verknüpft, Tannenzweige als das einzig Grüne, das zu finden ist.
![Ein Plastikweihnachtsbaum steht an einem (verregneten) Sommertag auf dem Martins Place. Die angebrachten Schriftzüge werben für Liebe, Freude und Frieden.](http://switchtrue.de/wp-content/uploads/2011/06/IMG_0167-225x300.jpg)
Ein Plastikweihnachtsbaum steht an einem (verregneten) Sommertag auf dem Martins Place. Die angebrachten Schriftzüge werben für Liebe, Freude und Frieden.
In Australien findet Weihnachten im Hochsommer statt, der Termin des Osterfests passt besser zu einem Erntedankfest. So bekommen diese Feste etwas sehr Widersprüchliches. In der prallen Sonne hängende Tannenzweigen, die mit Kunstschnee und bunten blinkenden Lichtern dekoriert sind, tun sich schwer damit, eine feierliche Stimmung aufkommen zu lassen. Das wirkt alles falsch.
Das Bild des Landes, in dem all das, was man andersrum machen kann auch andersrum macht, wird ergänzt durch die fixe Idee, die Autos auf der falschen Straßenseite fahren zu lassen. »Linksverkehr« nennen wir das verharmlosend. Die Konsequenzen sind auch hier vielschichtig. Klar: Beim Überqueren der Straße kommen die Autos natürlich von der falschen Seite. Beim Rechtsabbiegen müssen Verkehrsteilnehmer auf den Gegenverkehr achten. Im Uhrzeigersinn geht’s durch den Kreisverkehr. Beim Abbiegen gilt entsprechend links vor rechts. Wenn man im Bus durch die Windschutzscheibe blickt und das Unterbewusstsein sagt, dass man irgendwie zu weit links fährt und dann kommt noch ein Bus entgegen, von dem man das auch denkt, wähnt man sich leicht auf einem Kollisionskurs. Das geht in der Regel gut aus, verhindert aber, dass so etwas wie Entspannung aufkommt. Für Fahrten mit der Bahn gilt im Prinzip das gleiche, allerdings kann man da nicht so gut neben dem Fahrer rausgucken. Ähnlich ist es mit den Kindern, die man auf den ersten Blick gelangweilt hinter dem Steuer wähnt, obwohl sie natürlich nur auf dem Beifahrersitz sitzen. Und auch auf dem Gehweg: Entgegenkommende Fußgänger erwarten, dass man ihnen links ausweicht. Es sei denn, es sind Asiaten. Die kommen einem grundsätzlich links entgegen.
Bei dieser Konsequenz des Verkehrtmachens, irritiert natürlich, dass viele Dinge, die man auch noch verkehrt machen könnte, doch so funktionieren, wie gedacht. Bohrmaschinen drehen in die selbe Richtung wie in Europa, Wasserhähne auch und im Auto sollen auch Gas-, Kupplungs- und Bremspedal in der richtigen Reihenfolge montiert sein. Nur halt (wie auch das Lenkrad) vor dem falschen Sitz.
Zum linksrum rechtsrum gaebe es ja noch:
http://www.taz.de/digitaz/.tom/tomdestages?day=2011/06/25
und der geneigte physiker kann dank Fehlerrechnung abschaetzen, dass das mit dem Abfluss und der Corioliskraft keinen relevanten Einfluss hat.
11. Juni – letztes Posting… ist ja schon ganz schön lange her! Unternehmt oder erlebt ihr nix Neues mehr?