Ist es nicht ein nettes Ritual, zu besonderen Anlässen eine Gaststätte aufzusuchen und sich nach Strich und Faden bewirten zu lassen? Ohne jeden Gruppenzwang kann sich jeder aussuchen, was er mag, das Kochen übernhemen echte Profis und um den Abwasch muss man sich auch nicht kümmern. Schade, dass das Vergnügen einigermaßen kostspielig ist.
Hier in Sydney sieht das etwas anders aus. Auch hier kochen Profis, auch hier müssen die Gäste nicht zum Abwasch dableiben, aber der Besuch im Restaurant ist hier etwas alltägliches, wenn auch man sagen muss, dass die Restaurantkultur eine etwas andere ist.
In der nahegelegenen Einkaufsstraße, der Belmore Road, führt mindestens eine von fünf Ladentüren in einen Fresstempel, welcher Art auch immer. In der Verlängerung, in der LaPerouse Street sind es punktuell sogar vier von fünf Läden, die mit Essen aufwarten. Trotz dieses riesigen Angebots, ist es oft nicht ganz leicht, einen freien Tisch zu ergattern.
Aber wie kommt das? Wie schaffen es all diese Restaurants zu überleben?
Bei der Beantwortung dieser Frage hilft vielleicht ein Blick auf die Art der Etablissements. Nahezu die Hälfte aller Restaurants und Imbissbuden verkaufen thailändisches Essen. Hier wird was das Preis-Leistungs-Verhältnis betrifft eine hohe Latte gelegt.
Beim Betreten des Restaurant starten nicht selten drei Kellnerinnen gleichzeitig. Die erste erkundigt sich, wie viele Personen an einem Tisch sitzen wollen (zum Beispiel, in dem sie mit fragendem Gesicht zwei drei oder vier Finger in die Luft streckt) und empfhiehlt daraufhin einen oderer mehrere der Tische. Gleichzeitig organisiert eine zweite Kellnerin eine Flasche Wasser und Trinkgefäße und schlängelt sich durch die anwesende Menschenmenge und trifft sich am zugewiesenen Tisch mit einer dritten Kellnerin, die zwischenzeitlich Speisekarten und Gedecke organisiert hat und diese nun vor den Gästen verteilt.
Sobald man die Speisekarte aus der Hand legt ist umgehend erneut eine Kellnerin zur Stelle und notiert die gewünschten Gerichte. Diese werden dann in der Regel innerhalb von fünf Minuten geliefert, die Küche ist hierbei vom Gastraum aus einsehbar. Die Zutaten sind frisch, das Essen ist heiß, es ist genug um satt zu werden und es ist für jeden Geschmack was auf der Karte. Und es schmeckt! Je nach dem, wo man hingeht zahlt man pro Gericht zwischen 7 und 16 Dollar, also etwa 5–13 Euro, wobei der Preis eher auf die Inneneinrichtung des Lokals hinweist, als auf die Qualität der Speisen oder die Größe der Portionen.
Dass diese niedrigen Preise möglich sind, hängt sicher mit dem hohen Durchsatz in diesen Restaurants zusammen. So gesehen werden die Preise dadurch ermöglicht, dass es verbreitet ist, außer Haus essen zu gehen, was wiederrum durch die geringen Preise möglich ist. Zudem ermöglichen es die schnelle Art der Zubereitung und die kurze Wartezeit der Gäste, in einem relativ kleinen Restaurant, sehr viele Gäste zu bewirten, was letztlich die Mitkosten pro Gast senkt.
Ein wichtiger Punkt sind auch die Getränke. Es gibt »beim Thai« eine ansehnliche Auswahl davon, in der Regel Limos und Wasser aus Dosen und Flaschen, da aber immer auch eine Flasche Leitungswasser auf den Tisch kommt, kann man sich weitere Getränke eigentlich auch sparen. In der Regel ist es sogar gestattet, sich Wein von zuhause mitzubringen. Das liegt daran, dass für den Ausschank von alkoholhaltigen Getränken eine bestimmt Lizenz erforderlich ist. Wer die nicht hat (und die meisten haben keine) gestattet seinen Gästen, sich seinen Wein selbst mitzubringen, erhebt eine kleine Entkorkungsgebühr und stellt dafür Weingläser auf den Tisch.
Wer jetzt als Inder oder Italiener, als Chines oder mit Sushi gegen die Konkurenz aus Thailand anstinken will, muss sich bescheiden geben und ebenfalls hochwertiges Essen zum kleinen Preis auf den Tisch stellen.
Viele machen das, werden hierbei aber auch durch einige Effekte begünstigt, die die Gastronomie in Deutschland nicht kennt. So fällt die Entscheidung zwischen Selberkochen oder Essengehen auch aufgrund anderer Einflüsse häfiger zugunsten des Restaurantbesuchs aus als in Deutschland. Zum Beispiel wegen der Lebensmittelpreise: Die sind in Australien vergleichsweise hoch, was auch damit zusammenhängt, dass in den Supermärkten mit großem Personalaufwand Regalbestückungen und Gemüseberge gepflegt werden. So macht es für mich als Kunden keinen großen Unterschied, ob ich das Geld im Restaurant ausgebe, wo davon der Koch bezahlt wird, oder ob ich es im Gemüseladen lasse, wo die durch meinen Einkauf entstandenen Lücken in Zuccini- und Karottenstapeln vom Personal umgehend wieder aufgefüllt werden. Nur eben, dass ich im Restaurant fertig zubereitetes Essen bekomme.
Der Umstand, dass in Deutschland für Lebensmittel im Supermarkt ein niedrigerer Steursatz fällig wird als beim Verzehr in der Gaststätte, ist hier ebenfalls kein Thema. Die Mehrwertsteuer beträgt im Restaurant wie beim Metzger 10%.