Nachdem wir einen sehr verregneten und untypisch kalten Sommer hatten, fängt jetzt hier angeblich der Herbst an. Noch merkt man nicht viel davon, kurze Hosen und Trägershirts sind immer noch voll ausreichend als Bekleidung, aber die Angebote in den Obst- und Gemüseapotheken wandeln sich langsam. Vor ein paar Tagen war Jürgen beim Aldi – also, tatsächlich beim Aldi und nicht bei irgendeinem Aldi-Äquivalent. Und zwar ist das hier, wie kann es auch anders sein, Aldi-Süd – das hat der Aldi-Süd-Bruder sehr geschickt eingefädelt, als die zwei sich die Welt aufgeteilt haben. Zumindest hatte der Aldi gerade einen Restposten Zwetschgen-ähnliche Dinger im Angebot (die heißen hier Zucker-Pflaumen, daher bin ich mir nicht sicher, ob das richtige Zwetschgen sind, aber sie sehen ihnen zumindest ziemlich ähnlich) und Jürgen hat mal gleich ein paar Kilo eingepackt, um sie zu Quetschehoing/Latweerge/Powidel zu verarbeiten. Vor ein paar Wochen hatte ich das schon mit einer kleineren Charge ausprobiert und daher gibts jetzt von diesem Durchgang eine Photo-Story zum Nachmachen.
Die Herstellung von Quetschehoing unterliegt vielen Ritualen und Mysterien und natürlich schwört jeder drauf, dass seine Methode die richtige ist. Wahrscheinlich gibts auch Leute, die kleine Beschwörungstänze um den Topf machen, und sich sicher sind, dass das dem Quetschehoing den letzten Schliff gibt. Ich folge nur einer einzigen Regel, vor allem weil sie mir viel Arbeit erspart und die heißt: NIEMALS den Quetschehoing umrühren, solange er noch am Werden ist. NIEMALS!
Für den Quetschehoing von gestern habe ich verwendet:
3,3 kg Zwetschgen (das ist die Menge ohne Steine), 200g Zucker, Saft einer halben Limette, ein Stück Zimtstange (vielleicht so 4cm) und 4 Kardamomkapseln
Man nehme also seine Zwetschgen und wasche sie. Auf dem Bild sieht man, dass ich auch ein paar große Pflaumen reingetan habe. Das war aber keine so clevere Idee, denn die bringen vor allem mehr Wasser mit und dann braucht der Hoing länger zum Einkochen. Dann kommt der langwierige Teil, denn jetzt muss alles entkernt und in Stückchen geschnippelt werden. Danach hat man für gewöhnlich ziemlich schrumpelige und braune Finger.
Jetzt Limettensaft und Zucker drauf. Bei der Zuckermenge scheiden sich absolut die Geister. Im Internet findet man Rezepte, die 1kg Zucker auf 5kg Obst vorschlagen, genauso wie welche, die sagen 100g Zucker auf 5 kg Obst sind genug. Kommt vielleicht auch drauf an, wie schnell man den Hoing hinterher aufisst. Aus Jürgens und meiner Verfressenheitsstatistik habe ich abgeleitet, daß 200g Zucker bei uns vollkommen ausreichen.
Alles schön durchmengen, die Zimtstangen und die Kardamomkapseln versenken (am Besten so, dass man sie hinterher wieder findet). Der Zimt gibt sein Aroma ziemlich gut an den Hoing ab und es reicht, wenn man 2-3 größere Stücke verwendet. Das mit den Kardamomkapseln hab ich einfach so mal ausprobiert, hab aber nicht den Eindruck, daß die so viel bringen. Andere Leute stehen auch auf Nelken, Anis oder Portwein im Hoing – je nach Geschmack und Experimentierfreude. Dann sind wir auch schon am nächsten Punkt, dessen Durchführung stark vom gesprochenen Dialekt abhängt. Manche Leute sagen, dass man das Gemisch jetzt über Nacht und mindestens 12 Stunden ziehen lassen muss, andere wollen von Ziehen lassen gar nichts wissen und gehen gleich aufs Ganze. Nachdem der Jürgen nebenbei Mittagessen gemacht hatte, habe ich mich für die moderate Variante entschieden: solange ziehen lassen bis man gemütlich sein Mittagessen weggespachtelt hat.
Alleine diese wunderbare Zwetschgen-Zucker-Sutsche könnte ich einfach so weglöffeln, aber jetzt geht es ja erst richtig los. Auch um den nächsten Schritt ranken sich wilde Sagen: manch einer schwört auf die Zubereitung im Kupferkessel, andere sagen, dass der Quetschehoing nur gut gelingt, wenn man ihn auf der hinteren, rechten Ecke von Omas altem Holzofen zubereitet, die einen stehen 8 Stunden konstant Rührend neben dem Kochtopf und summen alte Volksweisen und wieder andere machen es sich einfach ganz einfach. Ich gehöre zu letzerer Sorte.
Also, die Zwetschgensutsche stand jetzt ein wenig rum und konnte sich an den Topf gewöhnen (ganz normaler Topf, außen und innen schön sauber geschrubbt) und jetzt kommt der Topf mit Deckel drauf bei 180° Umluft in den Backofen. Und das wars! Jetzt gilt nur noch die eine Regel und die lautet: NICHT UMRÜHREN! Auch wenn in einem die Panik aufsteigt, daß das ganze gute Gemisch doch anbrennen muss – NIEMALS UMRÜHREN!
Und so entwickelt sich das Ganze dann während der nächsten Stunden. Für die Photos hab ich den Deckel natürlich weg gemacht, ansonsten ist es besser, der ist drauf, denn gerade am Anfang blubbert und spritzt die Sutsche doch ganz schön.
Zwischendurch immer mal mit einem Löffel checken, wie viel Flüssigkeit noch unter der oberen Quetschenschicht ist. Damit der Hoing hinterher auch schön dick und zäh wird, muss möglichst viel Flüssigkeit verkocht sein. Aber nur ein wenig rumstochern, NICHT UMRÜHREN!
Und wenn man sich brav daran hält, kann man so 5–12 Stunden später (hängt sehr von der Menge und dem Wassergehalt der Zwetschgen ab) den Topf aus dem Ofen holen, die Zimtstange und den Kardamom rausfischen und ENDLICH, ENDLICH umrühren. Wenn man’s weniger stückig mag auch mit einem Schneebesen oder einem Pürrierstab.
Dann wird der gute Quetschehoing in saubere, heiße Gläser abgefüllt – Deckel drauf und Löffel ablecken. Wie man sieht ist der Hoing nicht angebrannt. Den Topf sollte man aber trotzdem gleich einweichen, damit man den festgebibbschten Zucker am Topfrand am nächsten Tag wieder weg bekommen.
Am nächsten Morgen schmiert man sich am Besten ein leckeres Brötchen damit und dann kann der Herbst kommen!